Das Schachspiel in Arabien in alten Zeitungsberichten aus der Elke Rehder Collection

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Schach in Arabien - Berichte aus alten Zeitungen


 

Das Schachspiel - Arabische Schachspieler 1858
Arabische Schachspieler - 1858
Holzstich aus Illustrirtes Familien-Journal. Eine Wochenschrift zur Unterhaltung und Belehrung. 1858, Nr. 254. S. 221-222

Anmerkungen zur obigen Abbildung: Der französische Maler, Radierer und Zeichner Jules Worms (1832–1924 in Paris) lieferte die Vorlage (Zeichnung/Aquarell) für den Holzstich "Arabische Schachspieler" von 1858. Hier folgt der Text zur Abbildung aus dem Familien-Journal:

Das Schachspiel.
Wenn Schafkopf, Skat und Solo den Bürger und Bauernstand, Boston, Whist und L'Hombre die feine Welt und Rouge et Noir, Vingt-un und Roulett den Müßiggänger und Abenteurer charakterisieren, so repräsentiert unter allen Spielen das Schachspiel den klugen, denkenden Menschen, denn trotz der Theorien des Königsberger Skatclubs, der Matadoren des Solos und der Berechnungen am grünen Tische, hilft hier als Haupthebel nur der Zufall, während beim Kampfe auf dem Schachbrett Umsicht, Berechnung und Klugheit entscheiden. Dieses uralte, schwierige und geistreiche Spiel verleiht Urteilskraft, Geduld und Vorsicht, mäßigt die Leidenschaftlichkeit und bildet mit einem Worte tüchtige Köpfe, deshalb sollte kein nach Ausbildung strebender Jüngling versäumen sich auf dem Schachbrette als einem rühmlichen Kampfplatze zu tummeln, denn er ist die Turnstätte, auf welcher der Geist sich in den wohltätigsten Freiübungen kräftigt.

Das Schachspiel verschwindet in dem grauesten Dunkel der Vergangenheit, denn schon vor Christus soll es im südlichen Asien gekannt gewesen sein, wenigstens behaupten dies die Chinesen; auch hat man an einer ägyptischen Pyramide eine Hieroglyphe gefunden, die in der Tat einem Schachbrette gleicht. So viel ist gewiss, dass bereits im sechsten Jahrhundert das Schachspiel in Persien bekannt war, wohin es aus Indien kam. Die intelligenten Araber, welche Nation es noch jetzt leidenschaftlich liebt, brachten das Schachspiel über das ganze nördliche Asien und Afrika. Hier erlernten es die Kreuzfahrer und verbreiteten es in Europa, wo nur einzelne gelehrte Männer, wie Eginhard*1), Kaiser Karls des Großen Schwiegersohn, der Bischof Willigis*2) von Mainz und Adalbert*3) von Magdeburg mit ihren Vertrauten dieses Spiel gekannt und wahrscheinlich von Mauren gelernt hatten. Schon Kaiser Karl der Große besaß ein Schachspiel, welches ihm aus dem Orient als Geschenk zugeschickt worden war und dessen tausendjährige Figuren als ehrwürdige Reliquien für alle Verehrer dieses Spiels noch jetzt vorhanden sind; Eginhard aber, des Kaisers Geschichtsschreiber, erwähnt nirgends, ob der Monarch ebenfalls des Spieles kundig gewesen sei.

Das Schachspiel wird schon im Sanskrit unter dem Namen Chaturanga erwähnt, welches Wort eine indische Armee, zusammengesetzt aus Fußvolk, Streitwagen, Pferden und Elefanten, bedeutet, in späterer Zeit aber wich diese Benennung dem persischen Königstitel Schah, der sich bis auf unsere Zeit erhalten hat und auch fast in allen Sprachen beibehalten ist, denn so sagen die Franzosen échecs, die Engländer chess, die Italiener scacco, die Portugiesen Xaque, die Ungarn Szache und die Griechen eskakes. Und in der Tat geschieht die Aufstellung der Schachfiguren ganz in der Art wie in uralter Zeit das Indervolk seine Schlachtordnung formierte. Die in der vorderen Reihe stehenden acht Bauern repräsentieren das Fußvolk, eine schwerfällige Masse der wenig Bewegung gestattet ist, hinter ihnen aber, in zweiter Reihe, steht der König, neben sich den Feldherrn, die Königin. Beide haben zur Seitendeckung einen Adjutanten, den Läufer, deren Flanke die Reiterei als Springer und die Streitwagen als Türme sichern. Der Zweck des Spiels geht darauf hinaus, den König des Gegners dergestalt in die Enge zu treiben, dass er genommen werden kann und sich matt, – von dem arabischen Wort math, tot, – erklären muss.

Bis auf den König haben und hatten nach den Sitten und Gewohnheiten der verschiedenen Völkerschaften die Namen der Schachfiguren vielerlei Abweichungen. Im Orient heißt die Königin Fers oder Vezier, bei den Engländern werden die Springer Knights oder Ritter und die Läufer Bischöfe genannt, und die Franzosen bezeichnen letztere mit dem Worte Fou oder Narr. In früheren Jahrhunderten hießen in Deutschland die Bauern ganz charakteristisch Wenden, um dadurch die Entwürdigung des besiegten leibeigenen Slavenvolks anzudeuten.

Das außerordentliche Interesse, mit welchem das Schachspiel von allen nur einigermaßen gesitteten Völkern aufgenommen und gepflegt wurde, hat diesem bereits seit dem sechzehnten Jahrhundert eine wissenschaftliche Bedeutung gegeben, in deren Folge eine Schachliteratur entstanden ist. Der Spanier Lopez*4) war einer der ersten Schriftsteller dieses Faches, dessen Werk der Herzog August von Braunschweig unter dem Namen Gustav Selenus*5) im Jahre 1616 in einer deutschen, jetzt sehr seltenen Übersetzung und Bearbeitung herausgab. Ihm folgte 1631 Gioacchino Greco *6), 1737 der Araber Philipp Stamma*7) und von 1780–90 der berühmte Franzose Philidor*8). Letzterer ist Gründer der französischen Schule, als Gegner der italienischen, deren vorzügliche Schriften wegen ihrer abweichenden Spielweise von uns nur teilweise benutzt werden können. Die neuere Zeit hat auf dem Gebiete der Schachliteratur ungemein viele treffliche Werke hervorgebracht und während früher die Meister dieses Spieles außerhalb Deutschlands Grenzen gesucht werden mussten, gibt es jetzt tüchtige Streiter unter uns, die den stolzen Franzosen und Engländern wohl ebenbürtig sind, denn bei dem großen Schachkampfe zu London im Jahre 1851 war es ein Deutscher, der Preuße Anderssen*9), welcher die berühmtesten Ritter des Schachbrettes aus dem Sattel warf.

Das Schachspiel wird von zwei Personen gespielt, jedoch kann es auch unter Dreien und Vieren exekutiert werden, wodurch das sogenannte Courierspiel mit vierundzwanzig Steinen auf einer Tafel von sechsundneunzig Feldern und das noch weit kompliziertere Kriegsspiel, welches der Italiener Venturini*10) ergrübelte, entstanden sind. Aber nicht nur Menschen verstanden das Schachbrett zu beherrschen, auch eine Maschine, ein Automat tat dies. Wolfgang von Kempelen*11), ein berühmter Schachspieler und tüchtiger Mechaniker, erfand eine Schachmaschine, die er im Jahre 1769 der Kaiserin Maria Theresia zeigte. In der Gestalt eines Türken gewann die Maschine den besten Spielern die Partie ab, und verbesserte sogar des Gegners falsche Züge, indem sie die Figur auf die richtige Stelle schob. Die Annahme, dass in dem Automaten ein Mensch verborgen sei, war sehr wahrscheinlich und wurde auch bewiesen, namentlich sprach außer vielen Andern dafür, dass Kempelen das Innere der komplizierten Maschine nie während des Spiels zeigen wollte. Auch Kaiser Napoleon I., ein tüchtiger Schachspieler, verlor im Jahre 1809 zu Schönbrunn, wo man ihm das Kunstwerk zeigte, nicht weniger als drei Partien, und soll darüber so ärgerlich geworden sein, dass des Erfinders Sohn es für geraten hielt, sich schleunigst mit dem unheimlichen Automaten zu entfernen.

Unter den niederen Schichten der Bevölkerung ist das Schachspiel nicht gebräuchlich, nur bildet das Dorf Ströpke*12) bei Halberstadt eine höchst rühmliche Ausnahme, denn hier ist seit bereits dreihundert Jahren Alles Schachspieler, vom so genannten kleinen Manne an bis zum Herrn hinauf. Das Völkchen soll durch einen Bischof, der ein leidenschaftlicher Freund des Schachbrettes war und hier als Privatmann lebte, auf dieses Spiel aufmerksam gemacht und durch das Versprechen bedeutender Diensterlasse bestimmt worden sein, die edle Kunst zu erlernen. Darüber witzeln nun allerdings die Bewohner der Nachbarorte nicht wenig und haben manchen Spitznamen für die ländlichen Schachspieler; die Leute in Ströpke aber machen sich nichts daraus, sondern meinen, dass in vielen Dörfern und Städtchen Zöpfe ganz anderer Natur zu Mitleid und Gelächter anregen, obgleich die Einwohner derselben sich für gar superkluge und grundgescheite Gotteskinder halten. Nur fort so, ihr wackeren Ströpker – wer Schach spielen kann, ist niemals ein Dummkopf! –

Wenn das Schachspiel auch in Europa fast nur von den höheren Ständen ausgeübt wird, so ist dies doch im Orient anders, denn hier versteht es fast Jedermann. Als Lieutenant Beaumont*13) sich einige Zeit in Algier aufhielt, und mit vielem Interesse hier das Leben und Treiben der Eingeborenen beobachtete, fand er in einer Karawanserei eine Gruppe Araber vor dem Schachbrett sitzend. Ein alter schöner Mann, bedächtig die Rauchwolken seiner Pfeife von sich blasend, spielte mit einem hagern Beduinenhäuptling und daneben saß ein anderer Beduine, dem vor Aufmerksamkeit einige Mal die Pfeife erlosch, während ihm gegenüber zwei Knaben von vierzehn und acht Jahren hockten, die ebenfalls die langsamen Züge der Gegner mit starren Augen betrachteten. Beaumont hatte somit die beste Gelegenheit, die Gruppe zu zeichnen; einer der anwesenden Araber aber, der den Lieutenant eine Zeitlang beobachtet hatte, legte plötzlich die Hand auf dessen Schulter und sagte: "Was bemühst Du Dich, Bruder, in Deinem Lande können sie es ja auch!" – Als Beaumont unwillig die störende Hand des Zudringlichen wegschleuderte, murmelte sich entfernend der braune Wüstensohn: "Allah ist groß und der Giaur ein grober Esel!"

*)Anmerkungen zu den Namen:

1) Eginhard (nach eigener Schreibung Einhart, auch Einhardt; in den romanischen Sprachen Eginhard; * um 770 im Maingau; † 14. März 840 Kloster Obermulinheim, heute Seligenstadt) war ein fränkischer Gelehrter, Kunstsachverständiger und Autor, eine der herausragendsten Gestalten der karolingischen Renaissance. Er leitete die Errichtung zahlreicher Bauten Karls des Großen, so die Brücke zu Mainz, die Pfalzen zu Ingelheim und Aachen und die Pfalzkapelle zu Aachen.

2) Willigis, selten auch Williges oder Willegis (* um 940 in Schöningen; † 23. Februar 1011 in Mainz) war Erzbischof von Mainz.

3) Der heilige Adalbert von Magdeburg (* um 910 in Lothringen; † 20. Juni 981 in Zscherben) war erster Erzbischof von Magdeburg, Missionar und Geschichtsschreiber.

4) Ruy López de Segura (* 1530 in Zafra bei Badajoz; † 1580) war ein spanischer Priester und Schachspieler in Zafra.

5) August der Jüngere (* 10. April 1579 in Dannenberg, Fürstentum Lüneburg; † 17. September 1666 in Wolfenbüttel) Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, regierte von 1635 bis zu seinem Tode 1666 und galt als einer der gelehrtesten Fürsten seiner Zeit. [Pseudonym: Gustavus Selenus]

6) Gioachino Greco (* um 1600 in Kalabrien; † 1634 in "Indien", vermutlich auf den Westindischen Inseln) war der bedeutendste Schachmeister des 17. Jahrhunderts.

7) Philipp Stamma (* um 1705 in Aleppo, Syrien; † circa Juni oder Juli 1755 in London) war ein syrischer Schachmeister. Er war der Verfasser eines der bekanntesten älteren Schachbücher, des Essai sur le jeu des échecs.

8) François-André Danican Philidor (* 7. September 1726 in Dreux; † 31. August 1795 in London) war ein französischer Komponist und galt zu seinen Lebzeiten als bester Schachspieler der Welt.

9) Adolf Anderssen (* 6. Juli 1818 in Breslau; † 13. März 1879 ebenda) war deutscher Schachmeister und einer der stärksten Schachspieler des 19. Jahrhunderts.

10) Johann Georg Julius Venturini (*1772 in Braunschweig; † 28. August 1802) war Offizier im Ingenieurkorps und nahm bis 1799 aktiv an den Revolutionskriegen teil. Er ist Verfasser mehrerer Schriften, wie z. B. das 1798 erschienene "Lehrbuch der angewandten Taktik oder eigentlichen Kriegswissenschaft". In Bezug auf das Kriegsspiel ist u. a. folgender Titel erschienen "Darstellung eines neuen Kriegesspiels zum Gebrauch für Officiere und Militärschulen. Mit einem großen Plan von G. Venturini." Leipzig, 1804 bey Johann Conrad Hinrichs. 61 S. u. ein gefalt. Plan.

11) Wolfgang von Kempelen (ungarisch Kempelen Farkas, slowakisch Ján Vlk Kempelen; * 23. Januar 1734 in Pressburg; † 26. März 1804 in der Alservorstadt, heute Wien) war ein Erfinder, Architekt und Staatsbeamter im Königreich Ungarn bzw. im Erzherzogtum Österreich.

12) Gemeint ist das Schachdorf Ströbeck; siehe dazu meinen ausführlichen Beitrag Schachdorf-Ströbeck

13) Der französische Publizist und Politiker Gustave de Beaumont (1802–1866) unternahm von Mai bis Juni 1841 eine Reise nach Algerien.

 

Bashi Bazouks beim Schachspiel, Holzstich von 1859 nach einem Gemälde von Alexandre Bida
"Bashi Bazouks at chess" by Alexandre Bida

Holzstich aus Illustrated London News, No. 977 vom 4. Juni 1859, S. 532 mit kurzem Begleittext zu dem französischen Maler und Illustrator Alexandre Bida (* 3. Oktober 1813 in Toulouse (Haute-Garonne); † 2. Januar 1895 in Lautenbach (Département Haut-Rhin in der Region Grand Est, bis 2015 Elsass) und dem damaligen Interesse an seinen orientalischen Gemälden. Die Başı Bozuk waren irreguläre Truppen des Osmanischen Reiches, die sich aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen zusammensetzten. Neben dem Schachspieler steht links eine Wasserpfeife arabischen Ursprungs, eine sogenannte Shisha, auch sheesha, deutsch = Schischa. Der Spieler rechts hält eine lange Pfeife in seiner Hand, der sogenannte Tschibuk (türkisch: Rohr) ist eine Tabakspfeife, die aus einem kleinen, breiten, deckellosen Tonkopf (Lule), einem Rohr und einem Mundstück (Imame) besteht.

 

Lawrence Alma-Tadema Gemälde Ägypter beim Brettspiel
"Altägyptische Schachspieler. Nach einem Gemäde von Alma Tadema" 1867

Holzstich aus Illustrirte Zeitung Nr. 1275 vom 7. Dezember 1867 nach einem Gemälde von Lawrence Alma-Tadema. Die Zeitung veröffentlichte dazu den folgenden Text:

"Sein erstes Bild, das namentlich in Paris Furore machte, zeigt dem Beschauer, wie sich die Ägypter vor 2000 Jahren belustigten. Gustav Flaubert hatte durch seinen Roman "Sallambo" gerade damals in der Seinestadt die literarischen und artistischen Ausgrabungen in die Mode gebracht, und da das Bild viele treffliche Eigenschaften hatte, ja, so seltsam es auch klingen mag, äußerst gelehrt sich anließ, so begründete es den Ruf des jungen Künstlers."

Dazu muss ich erklären, dass die alten Ägypter das Schachspiel nicht kannten. Das obige Motiv entspringt der Phantasie des Künstlers. Als Brettspiel wurde aber schon ca. 3000 Jahre v. Chr. das Senetspiel gepflegt. Ein typisches Senet-Spieleset bestand aus einem Spielbrett, verschiedentlich gestalteten Spielfiguren und sogenannten Zählknochen. Das Spielbrett war rechteckig, besaß für gewöhnlich die Maße 35 x 10 cm oder 55 x 20 cm und hatte auf seiner Oberseite exakt dreißig Spielfelder, je zehn in einer Reihe. Aus diesem Grund wurde Senet auch "das 30-Felder-Spiel" genannt. Die Zählknochen waren plättchenförmig und besaßen auf jeder Seite eine unterschiedliche Anzahl an Zählstrichen. Zum Figurenset gehörten drei große, kegelförmige Figuren und vier etwas kleinere, spulenförmige Spielsteine. Senet wurde von zwei Spielern gespielt. Die Reise begann in einem Feld mit der Aufschrift "Geburt". Die letzten fünf Spielfelder enthielten die Miniaturdarstellungen von Gottheiten. Senet diente nicht nur der Unterhaltung, sondern hatte auch eine religiöse Bedeutung. Der Brettspieltext enthält viele Bezüge zum Lauf der Sonne und der Dekan-Sterne.

Selbst der bedeutende Schachmeister François-André Danican Philidor (1726-1795) ließ sich von diesem Ägypter-Modetrend täuschen. In der ersten Ausgabe seines Schachlehrbuches L'Analyze des Echecs , welches 1749 in französischer Sprache in London ohne Verlagsangabe erschien, behauptet Philidor in einer zehn Seiten langen Vorrede: "Il est dit que les Egyptiens rangerent ensuite ce jeu au nombre des sciences, dans un temps même où personne ne les possédait qu'eux: ce fut apparemment sur ce principe: Scientia est eorum, quae consistunt in Intellectu." Ich übersetzte: "Von den Ägyptern wird gesagt, dass sie dieses Spiel zur Wissenschaft erhoben haben, zu einer Zeit als sie die einzigen gelehrten Menschen waren, dies basierte auf dem Grundsatz: Wissen um die Dinge macht den Verstand.“
Philidor selbst hatte diesen Grundsatz offensichtlich nicht beachtet. Zu jener Zeit war es in Europa modern, alle möglichen Quellen in Ägypten zu vermuten. Auch Philidor folgte diesem nicht gerade wissenschaftlichen Modetrend und berichtigte seinen Irrtum erst 1777 in der Neuausgabe seines Werkes unter dem erweiterten Titel Analyse du jeu des échecs.

Anmerkungen zum Künstler
Sir Lawrence Alma-Tadema (Geburtsname: Lourens Alma Tadema, * 8. Januar 1836 in Dronrijp, Niederlande; † 25. Juni 1912 in Wiesbaden) war ein niederländischer Maler und Zeichner des akademischen Realismus mit britischem, belgischem und niederländischem Bürgerrecht. Anlässlich des 81. Geburtstags von Königin Victoria 1899 wurde Alma-Tadema zum Ritter geschlagen. Im Alter von 76 Jahren starb Sir Lawrence Alma-Tadema am 25. Juni 1912 in Wiesbaden und wurde in der St. Paul's Cathedral in London beigesetzt. Die Bilder des viktorianischen Malers Alma-Tadema zeichnen sich durch eine besondere Detailgetreue aus, die ihn schon zu Lebzeit zu einem der berühmtesten Maler Großbritanniens machten. Die Akademie Berlin, Akademie der Bildenden Künste München, königliche Akademie von Madrid und die Akademie der bildenden Künste Wien schmückten sich mit seiner Mitgliedschaft.

 

Eine Schachpartie. Holzstich von 1881 nach einem Gemälde von Alexandre Bida, 1813-1895.
"Eine Schachpartie. Gemälde von A. Bida. Nach einer Photographie im Verlag von Ad. Braun & Co. in Dornach."

Holzstich von 1881 (später handkoloriert) aus Über Land und Meer. Allgemeine Illustrirte Zeitung Nr. 47; 48. Band Oktober 1881-1882. Die Abbildung ist auf S. 337. Der dazugehörige Text auf S. 940 lautet:

"Seit Jahrhunderten ist in Europa das Schachspiel eine Passion, die als geistübend meist von Denen gepflegt wird, die geistlose Zerstreuungen fliehen, unsere Generation aber hat es fast zu einer Fakultät gemacht: Schachturniere, Schachkongresse, Schachzeitungen haben dem edlen Spiel eine Rolle in unserer Kulturepoche geschaffen, welche die Jünger dieser Kunst zu einer Art von Kaste gemacht.

Dass das Spiel orientalischen Ursprungs, würde uns sein Wesen verraten, selbst wenn wir es nicht wüssten, obgleich der eigentliche Erfinder unbekannt geblieben. Es erfordert eine Ruhe, eine Sammlung, einen Zeitaufwand, bedingt ein Abgewandsein von allen anderen Obliegenheiten, wie es eben nur den orientalischen Völkern vergönnt ist.

Als Vierschach ist dieses Spiel indischen Ursprungs; uns überkam es als Zweischach durch die Araber. Ob es richtig ist, das 'Matt' von dem arabischen mejit (todt) herzuleiten, mag dahingestellt bleiben; die Bezeichnung Schach stammt offenbar von dem persischen Schah her.

Die Spanier, als die Nachbarn der Araber, und ihnen zunächst die Italiener lieferten die ersten Meister in dem reformierten Schachspiel. Es bildeten sich ganze Schulen im achtzehnten Jahrhundert in Italien und Frankreich, ihnen folgten Holland, England und Deutschland. Man begann damals schon die Zweikämpfe im Schachspiel; die wirklichen Schachturniere riefen die Engländer ins Leben und zwar 1851. An die Stelle der alten spanischen und italienischen Meister Damiano, Lopez, Salvio, Carrera etc. traten Labourdonnais, Mac Donnel, später Staunton, dann Anderssen, Morphy, und endlich in allerjüngster Zeit die sich unaufhörlich befehdenden Schachkämpen, von deren Turnieren wir alljährlich lesen. Bei den Orientalen unseres Bildes geht es in landesüblicher Seelenruhe her. Sie stört kein Geschäft, keine Hausfrau, kein Schlag der Uhr, denn sie kennen diese nicht. Das Schach ist eines ihrer liebsten Geduldspiele, die ihre Seele in unerschütterlichem Gleichmaß erhalten. Der Tschibuk ist der treue Gefährte, der Berater bei den wichtigsten Kombinationen im dem 'Turnier des Schweigens', in der Übung des Scharfsinns und der Weisheit, die der Orientale eben im Schachspiel sucht.    W."

Anmerkungen zu den Namen:

Der Künstler des obigen Bildes ist der französische Maler und Illustrator Alexandre Bida (1813-1895)
Die Lebensdaten zu den im Beitrag genannten Schachspielern lauten:

 


Schachspieler in Algier: Eine Schachpartie im türkischen Kaffeehause. (Siehe Seite 3)

Am 3. April 1884 veröffentlichte die österreichische Wochenzeitung Das interessante Blatt in Nr. 14 auf Seite 2 die obige Abbildung und den nachfolgenden Text auf S. 3:

Schachspieler in Algier
"Das Schachspiel ist bekanntlich eine orientalische Erfindung, und nirgends wird dasselbe so ernst und eifrig gepflegt, wie im Orient. Wohl gibt es im Orient keine Schachclubs, in denen Turniere, bei welchen es sich um viele Tausende Gulden handelt, abgehalten werden, und es dürfte daselbst wohl auch keine Schachspieler geben, welche in dem Spiele ihren Lebensberuf und Erwerb erblicken. Allein die Verbreitung des Spieles ist im Orient eine ganz allgemeine, und wenn die Anzahl der Schachmatadore Europas eine größere sein mag, als in der phantastischen Heimat dieses Spieles, so ist dennoch daselbst die Zahl seiner Verehrer eine verhältnismäßig und wohl auch absolut größere. Der Orientale kennt kein anderes Spiel der Spiele. Karten, Dominosteine, Billardballen sind ihm fremd, und wenn er zu seiner Erholung und Zerstreuung ein Spiel sucht, ist es ohne Zweifel das Schachbrett mit seinen 64 Feldern. Das Schachbrett ersetzt darum im Orient die Tarock-, Piquet- und andere Karten, die Billards etc., und in fast phantastischer Weise wird demselben durch die reiche Herstellung der Schachfiguren gehuldigt. Orientalische Große lieben es, ihr Schachbrett so pompös auszustatten, dass der Wert desselben ein Vermögen, nach Tausenden zählend, repräsentiert. Die Figuren des Brettes sind häufig Kunstwerke von hervorragendem Range, und in den europäischen Museen werden Schachfiguren, die im Orient zum gewöhnlichen Spiele dienten, als außergewöhnliche Kunstwerke sorgfältig aufbewahrt.

In Algier und Tunis ist die Verbreitung des Schachspieles eine ganz allgemeine. Jedes Mitglied der besseren Stände ist namentlich in der Hauptstadt Algeriens ein Kenner und wohl auch Anhänger des Schachspieles, und in den Kaffeehäusern der orientalischen Quartiere wird dem geistvollen Spiele mit großem Eifer, wenn auch mit voller Ruhe gehuldigt. Der Tisch, auf welchem das Schachbrett steht, ist gleichzeitig eine Art Divan*) für die Spieler. Mit unterschlagenen Beinen sitzen sie hier, oft lange nachdenkend über einen einzelnen Zug, und Niemand würde es unternehmen, die Spielenden hierbei zu stören. Dieselben leben hier nur für das Schachspiel; sie vergessen die Außenwelt vollständig und denken nur an die Figuren des Brettes. In früherer Zeit wurde es sogar für Profanierung (Anm.: Entwürdigung) des edlen Spieles gehalten, während desselben sich dem Genusse des Rauchens hinzugeben; allein heute wird dem Tschibuk (Anm.: lange Tabakspfeife) auch zum Schachbrett der Zutritt gewährt, und man hält es für keine Beeinträchtigung des Spieles, während desselben zu rauchen.

Das Geschlecht der "Kibitze" (Anm.: engl. Kibitz, deutsch: Kiebitz, d. h. Spielbeobachter) ist bei den Schachspielern in Algier auch bekannt, allein es ist daselbst weniger verrufen als bei uns, denn der Kibitz verhält sich überaus ruhig und würde es nicht wagen, den Spielenden seine Ratschläge aufzunötigen."

Anmerkungen:

*) Diwan, alte Schreibweise Divan (ursprünglich persisch) steht für Versammlung, hier: für einen bequemen gepolsterten Sitz. 

Das Interessante Blatt war eine österreichische Wochenzeitung, die von 1882 bis 1939 wöchentlich erschien. Als Beilage der Zeitung erschienen die "Wiener Bilder". Die Nachfolgerzeitung war die Wiener Illustrierte.

 

Beim Schachspiel - Gemälde von Ludwig Deutsch, 1886
Beim Schachspiel - Gemälde von Ludwig Deutsch, 1886

Ludwig Deutsch (* 13. Mai 1855 in Wien; † 9. April 1935 in Paris) war ein österreichischer Maler des Orientalismus. Von 1872 bis 1875 studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Anselm Feuerbach und seit 1876 bei Leopold Carl Müller. Im Jahre 1878 zog er nach Paris, wo er sein Studium bei Jean-Paul Laurens fortsetzte. In Paris war er mit dem österreichischen Orientalisten Rudolf Ernst befreundet. Das Gemälde "Beim Schachspiel" von Ludwig Deutsch ist gemeinfrei bei Wikipedia https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7922588

 

Schachspieler in Algerien - Postkarte von 1897
Schachspieler in Algerien - Postkarte von 1897

Diese alte Postkarte von 1897 ist gemeinfrei im französischen Wikipedia https://fr.wikipedia.org/wiki/Fichier:Joueurs_d%27%C3%A9checs_alg%C3%A9riens.jpg


 

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