Das Schachspiel in der Operette Der Seekadett von Richard Genée

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Die Schachspielszene in der Operette Der Seekadett von Richard Genée 1876

 

Schachspiel der Seekadett von Richard Genée in Wien 24. Oktober 1876.
Bildunterschrift in der Illustrirten Zeitung: "Die Schachspielszene aus der neuen Oper Der Seecadet von Richard Genée. Nach der Aufführung im Theater an der Wien gezeichnet von H. Fritzmann."
1877 als Holzstich gestochen von Richard Brend’amour (1831–1915).

Die Uraufführung fand am 24. Oktober 1876 im Theater an der Wien statt. Der Text wurde geschrieben von Friedrich Zell, d. i. der Librettist Camillo Walzel (* 11. Februar 1829 in Magdeburg; † 17. März 1895 in Wien).

Richard Genée (* 7. Februar 1823 in Danzig; † 15. Juni 1895 in Baden bei Wien) war ein deutsch-österreichischer Librettist, Bühnenautor und Komponist. Diese Operette war Namensgeber einer Eröffnungsfalle beim Schach, dem Seekadettenmatt, welches im zweiten Akt als Lebendschachpartie enthalten ist, siehe hierzu https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Seekadett

Folgende kurze Rezension zu dieser Aufführung erschien im Duxer Wochenblatt Nr. 46 v. 11. November 1876 S. 374:
"In der Operette brilliert Frl. Mayerhoff als fescher Seecadet in Gesang und Spiel. Den Glanzpunkt deselben (in der Ausstattung) ist ohne Zweifel die Scene "Das Schachspiel der Königin". Die Figuren (weiß und gelb) sind größtentels schöne Balletmädchen und verdienen ganz besonders die prachtvollen 'Läufer' hervorgehoben zu werden. Musik und das mit intensivem Licht übergossene große Schachbrett, machen das Bewegen der Figuren geradezu - mystisch."

Eine Illustration in Holzstich erschien in Illustrirte Zeitung Nr. 1749 v. 6. Januar 1877, S. 12 und mit nachfolgendem Text auf S. 14:

Der Seekadett. Komische Oper von Zell; Musik von Richard Genée.
"Der 'Seecadet' einer komischen Oper gehört selbstverständlich nicht jenem vierschrötigen Geschlecht an, aus welchem die meerdurchfurchenden Kriegsmarinen den hoffnungsvollen Nachwuchs an fortsbombardierenden und panzerrammenden Schiffsleutnants und Kapitänen normalmäßig zu ergänzen gewöhnt sind. Die Operette bezieht ihre Admirale aus der Schweiz und rekrutiert ihr Seekadettenkorps, ja selbst den tüchtigsten Teil ihrer Flottenstammdivision aus hübsch gewachsenen Soubretten. Eine solche, und zwar eine der liebenswürdigsten dieses liebenswürdigen Genres, ist Mademoiselle Farchette Michel, welche in den Pausen zwischen Proben und Vorstellungen einen Liebesroman mit ihrem Anbeter Lambert durchspielt. Von dem Letzteren ohne Abschied verlassen, bringt sie in Erfahrung, dass der geliebte Flatterhafte sich nach Lissabon gewendet habe, wohin sie ihm, selbst auf die Gefahr eines Kontraktbruchs schleunigst nachfolgt, was bei dem damaligen zustand der Kommunikation und dem Preis der Fahrgelegenheiten für eine kleine Aktrice keine leichte Aufgabe war. Lambert hatte wichtige Gründe, die bislang nur durch ihr Erdbeben, den Marschall Saldanha und die Linien von Torres-Vedras berühmte Metropole am gelben Tajo als Reiseziel zu wählen. Er wusste, dass ihn dort die Liebe der mythischen Königin Maria Franziska, ja die heimliche Ehe mit derselben und die Annehmlichkeiten eines glänzenden, lebenslustigen und heiteren Hofes erwarten. Außerdem hatte er die bedeutungsvolle Mission, Lusitanien, das längst im Stillen über seine Zurücksetzung murrte, in das europäische Konzert der weltbeherrschenden Operette einzuführen.

In dieser auf allgemeine Erheiterung abzielenden melodischen Konföderation sind nunmehr alle zivilisierten Länder des Erdballs, selbst der zwischen Himmel und Hölle schwebende Olymp und die klassische Unterwelt, vertreten. Frankreich, Spanien, Schottland-England, Italien, die 'ollen Griechen', das Großherzogtum Geroldstein, der nordische Koloss, China, das Tal von Andorra, die rote Klippe von Helgoland, Holland und der farbenreiche Orient haben nach und nach die Souveränität der komischen Oper anerkannt und sich ihr tributpflichtig erklärt. Nach der Annexion Portugals bleiben nur Patagonien und das Franz-Josephs-Land noch zu annektieren übrig. Dem armen, von der eifersüchtigen Königin arg bespionierten Lambert konnte natürlich das Erscheinen seiner Geliebten, das zu zahllosen Verwicklungen Anlass gibt, durchaus nicht angenehm sein. In dessen Schlafzimmer überrascht, wirft sie sich unter seltener Geistesgegenwart in die kleidsame Uniform eines Seekadetten und bewegt sich in dieser Rolle mit so viel Gewandtheit, dass sie sich die Gunst der Königin und ein Kapitänspatent gewinnt, die Neigung vieler schöner Frauen, den Hass vieler Männer und selbst die Eifersucht Lamberts erregt. Im entscheidenden, alles zum befriedigsten Ausgleich dieser Komödie der Irrungen und Verkleidungen führenden Moment entpuppt sich der schmucke, liebenswürdig-intrigante Seekadett als – nicht minder bekannte Soubrette, die, den utilitarischen Tendenzen der weiblichen Theaterwelt Rechnung tragend, ihre Hand einem ebenso täppischen als hochbeglückten Millionär reicht.

Das Intrigenspiel, das uns das Bild eines Hofes vorführt, an dem man sich vortrefflich amüsiert, ohne sich sonderlich zu kompromittieren, wird durch allerhand gelungene Nebenfiguren und Nebenvorgänge, unter welchen die auf unserem Bild dargestellte Schachspielszene, namentlich durch geschickte Szenierung der lebenden Figuren, sehr unterhält, spannend verwickelt und belebt. Ein heiterer und gesunder Humor durchzieht das ganze Libretto. Die Musik zeichnet sich, wenn auch nicht durch Originalität, doch durch Melodik, elegante Mache und stimmungsvolle Charakteristik aus. Die elegante Ausstattung und vortreffliche Besetzung im Theater an der Wien tragen selbstverständlich nicht wenig zu dem großen Erfolg des 'Seecadetten' bei, der bereits seit Wochen das Haus füllt, eine lange Reihe von Wiederholungen in Aussicht stellt und wohl über die deutschen Bühnen die Runde machen wird."

 

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