Lebendes Schachspiel

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Lebendes Schachspiel

 

Lebendes Schachspiel in Prag 1895.
Schachvorstellung mit lebenden Figurengruppen auf einem Riesen-Schachbrett zu Prag. Mit Hilfe von photographischen Aufnahmen des Ateliers Adler in Prag gezeichnet von E. Limmer. 1895

Text in Illustrirte Zeitung Nr. 2732 v. 9. November 1895, S. 573 in der Schachspalte:
Ein Schaustück, wie es die Schachwelt bisher noch nicht gesehen hat, kam in Prag auf der Böhmisch-Slawischen Ethnographischen Ausstellung mehrfach zur Aufführung, und zwar in einer riesigen Arena, die in großer Rotunde ein Riesenschachbrett von 2304 Quadratmeter Flächenraum umschließt. Die Idee zu dieser Schachpartie auf diesem großen Schachbrett mit so vielen lebendigen Figuren stammt von Franz Moučka. Sekretär des Böhmischen Schachclubs, der auch die Ausführung und Leitung der Produktion übernommen hatte. Die Partie ist mit Rücksicht auf die großen Dimensionen der Ausführung von dem bekannten Schachmeister Dr. Johann Dobruský komponiert, dessen Porträt und Lebenslauf die Illustrirte Zeitung in Nr. 2192 gemeinschaftlich mit Georg Chocholous gebracht hat. Die erste Aufführung am 15. September wurde mit einem malerischen Festzug eingeleitet, der erst um 4 ½ Uhr nachmittags durch die Ausstellung zog und durch seine gefällige Anordnung und die bunte Pracht der stilgerechten Kostüme verdiente Aufmerksamkeit erregte. Es handelte sich bei der Schachpartie um die Darstellung der Umzingelung des Ungarkönigs Matthias Corvinus durch den König Georg von Podjebrad. Dieser Grundidee entsprach auch die ganze Anordnung des Festzuges und der Produktion. Jede Schachfigur wurde durch ganze Gruppen dargestellt. Die Stelle der Bauern vertraten Gruppen von Landsknechten in historisch treuen Kostümen. Besonders schön waren die Kostüme der Reiter, die die Springer darstellten, und deren Pferde von prachtvoll gekleideten Pagen geführt wurden. An Stelle der Türme traten Kriegswagen mit Zinnen und den Bannern der beiden Könige. Die Läufer waren ebenfalls beritten und von einer Gruppe von Bogenschützen umgeben. Glänzend war das Gefolge der beiden Könige und Königinnen, von denen sich die ersteren durch treue historische Masken auszeichneten. Unter Fanfarengeschmetter betrat der Zug den Boden des Amphitheaters. Beide Lager nahmen auf den entsprechenden Feldern des riesigen Schachbretts – dieses war durch große lichte und dunkle Quadrate markiert – Aufstellung. Vor der Schlacht erklangen die Töne des altböhmischen Chorals "Svatý Václave", durch den die böhmischen Vorfahren vor jeder Schlacht den Schutz des heil. Landespatrons erflehten. Kaum waren sie verhallt, als mit der Aufstellung beider Lager begonnen wurde. Die Schwarzen (Ungarn) entwickelten rasch ihre Kräfte und führten allerlei Bewegungen aus, während der weiße König (Georg von Podjebrad) durch bloße Winke seine Heerscharen dirigierte. So oft zwei Gruppen aneinander gerieten, entspann sich ein heißer Kampf. Mit dem 16. Zug war die Aufstellung der Gegner beendet, und es begann unter allgemeiner Spannung die eigentliche Partie, die die Schlacht bei Vilemov zur Darstellung brachte. Unter den Klängen der dem Charakter des Ganzen angepassten Musik, von dem Problemmeister K. (Karel) Pospíšil komponiert, bewegten sich die bunten Gruppen auf dem gewaltigen Schachbrett. Der Ungarkönig geriet bald in eine ungünstige Lage, und schon bei dem 25. Zuge gestaltete sich die Situation für die Schwarzen bedenklich. Die folgenden Züge brachten den Ungarkönig in eine noch ungünstigere Lage, und mit dem 32. Zuge war er matt. Unter brausendem Beifall des vieltausendköpfigen Publikums, das mit regem Interesse das ungewöhnliche, glänzende Schauspiel verfolgte, sprengte der geschlagene Matthias Corvinus zu seinem ritterlichen Gegner und übergab ihm als Zeichen seiner Niederlage sein Schwert. Hiermit war die interessante Produktion zu Ende. Und wie die Schlacht mit einem religiösen Choral begonnen, so schloss sie auch mit dem Liede "Hospodine, pomiluj ny", das die altböhmischen Krieger oft nach erfochtenem Siege sangen. Die originelle und sehenswerte Produktion, die von den Mitgliedern der Sokolvereine aus Prag und den Vororten unter dem Obmann Joseph Klenka, etwa 256 an der Zahl, durchgeführt wurde, fand stürmischen Beifall. Wiederholungen der Vorführung fanden bei günstigerer Witterung am 22. und 28. September statt. Die umstehende Abbildung veranschaulicht dieses eigenartige Schachschaustück.
 

Schach Schwarze Königin. Lebendschach in Prag 1895.    Schach Schwarzer König auf dem Riesen-Schachbrett in Prag.
Schwarze Königin und schwarzer König mit Gefolge auf dem Riesen-Schachbrett 1895 in Prag

 

Die Bilder können kopiert werden. Für die Fotorechte geben Sie bitte folgenden Hinweis an: © Elke Rehder Collection

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