Fernschachpartie 1845 Howard Staunton - George Walker

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Die historische Fernschachpartie 1845 von Howard Staunton gegen George Walker

Correspondenzschach - so lautete der alte Name für das Fernschach zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

 

 

Correspondenzschach = Korrenspondenz-Schach = Fernschach

Der Begriff Correspondenzschach ist heute nicht mehr gebräuchlich. Wir sprechen von Fernschach. Beim Fernschach werden heute kaum noch Postkarten mit den einzelnen Zügen verschickt. E-Mail und Online-Schach im Internet sind die zeitgemäßen Medien.

In den vor 1870 erschienenen Schachzeitungen und auch in Zeitschriften mit Schachkolumnen wurden bedeutende Schachpartien genau beschrieben und teils auch ausführlich kommentiert.  Dies gilt auch für die zahlreich gespielten Fernschachpartien, die sich teilweise über mehrere Jahre hinzogen. Es gab Fernschachpartien von eher regionaler Bedeutung, wie beispielsweise der 1849 sich langsam dahinschleppende Kampf der Leipziger Schachgesellschaft "Augustea" gegen den Schachklub "Sophrosyne" des Magdeburger Gymnasiums, der von Max Lange ausführlich kommentiert wurde.

In der Ausgabe vom 9. August 1845 berichtet die Leipziger "Illustrirte Zeitung" über eine damals neue Art der Korrespondenz im Fernschach. Der elektromagnetische Telegraph auf der Südwestbahn zwischen London und Portsmouth war fertiggestellt. Damit war die Voraussetzungen für eine Schachpartie mittels elektromagnetischer Telegraphie gegeben.
 

Der elektromagnetische Telegraph auf der Südwestbahn zwischen London und Portsmouth war 1845 fertiggestellt

 


Das Bild zeigt das Telegraphenzimmer der Londoner Station "Nine Elms" bei Absendung von George Walker's erstem Schachzug.

 

Fernschachpartie 1845 - Howard Staunton vs. George Walker


Hier folgt der Text aus der Leipziger "Illustrirten Zeitung":

"Folgende Partie wurde vermittelst des elektrischen Telegraphen am 10. April 1845 zwischen London - Mr. G. Walker - und Portsmouth - Mr. Staunton - gespielt. Die Züge wurden aus einer Entfernung von 88 englischen Meilen mit einer Schnelligkeit mitgeteilt, die nicht größer hätte sein können, wenn man in zwei anstoßenden Zimmern gespielt hätte. Die beiden berühmten Schachspieler hatten zum Beistande, der Erstere den Capitain Evans und Mr. Perigal, der Andere den Capitain Kennedy. Die Kämpfer waren durch nichts gestört; ihre Züge wurden aufgezeichnet und dem Agenten des Telegraphen übergeben. Die Partie dauerte 9 Stunden. Länger als 5 Minuten durfte nicht über den Zug nachgesonnen werden. St. Amant in Paris, der im Palamède die Partie kritisiert, hatte aber Zeit vollauf, und ergreift die Gelegenheit, um an den Engländern, die seine Meisterschaft bezweifeln, und besonders an Staunton, der gesagt, er wolle mit ihm spielen 100 Pf. gegen 50, sich zu rächen. Wir geben darum unseren Lesern auch St. Amant's Kritik und werden in einer unsrer nächsten Nummern eine größere Mitteilung über elektromagnetische Telegraphie folgen lassen."

 

George Walker Howard Staunton
Weiß - London Schwarz - Portsmouth
1) E9 - E4 1) E7 - E5
2) L. F1 - C4 2) L. F8 - C5
3) C2 - C3 3) D. D8 - G5 (A)
4) D. D1 - F3 4) D. G5 - C6
5) D2 - D3 5) S. B8 - C6
6) L. C1 - E3 6) L. C5 - B6
7) Läufer nimmt Läufer 7) A7 nimmt Läufer
8) S. B1 - A3 8) S. C6 - A7 (B)
9) D. F3 - G3 (C) 9) Dame nimmt Dame
10) H2 nimmt Dame 10) D7 - D6
11) F2 - F4 11) S. G8 - H6
12) S. G1 - F3 12) F7 - F6
13) K. E1 - D2 13) L. C8 - G4
14) D3 - D4 (D) 14) Rochiert nach C8
15) F4 - F5 15) D6 - D5 (E)
16) L. C4 nimmt D5 16) Läufer G4 nimmt F5
17) S. F3 - H4 17) L. F5 - G4
18) S. A3 - C2 18) T. A8 - E8
19) T. A1 - E1 19) S. A7 - C6 (F)
20) L. D5 nimmt Springer 20) B7 nimmt C6
21) K. D2 - C1 21) L. G4 - E6
22) S. H4 - F3 22) L. E6 - G8 (G)
23) B2 - B3 23) S. H6 - G4
24) T. E1 - E2 24) G7 - G6
25) S. C2 - E3 25) H7 - H5
26) T. H1 - D1 26) E5 nimmt D4
27) S. E3 nimmt Springer 27) D4 - D3
28) T. E2 - F2 (H) 28) H 5 nimmt G4
29) S. F3 - D2 29) F6 - F5 (I)
30) E4 nimmt F5 30) G6 nimmt F5
31) Turm nimmt F5 31) Turm E8 - E3
32) T. F5 - F2 32) B6 - B5 (K)
33) S. D2 - F1 33) T. E3 - E2
34) T. D1 - D2 34) T. D8 - E8
35) S. F1 - H2 35) T. E2 - E3
36) S. H2 nimmt G4 36) T. E3 nimmt G3
37) S. G4 - F6 37) T. E8 - E3
38) Springer nimmt Läufer 38) T. G3 nimmt Springer
39) T. F2 - F3 39) T. G8 - G3
40) T. D2 - F2 (L) 40) T. E3 - E2
41) T. F3 nimmt D3 41) T. G3 nimmt G2
42) T. F2 nimmt T. E2 42) T. G2 nimmt Turm
43) T. D3 - D2 43) T. E2 - E5

Hier wurde die Partie von beiden Seiten als Remis aufgehoben.

(A) Diese Verteidigung führt gewöhnlich zu einem baldigen Abtausch der Königinnen und veranlasst eine langweilige Partie.

(B) Besser würden die Schwarzen gezogen haben, wenn sie im sechsten Zuge den Läufer E3 genommen hätten. Sich so zurückzuziehen, heißt Zeit verlieren. Sehr gut hat Weiß in drei Zügen zwei Figuren ins Spiel gebracht und den Läufer der Königin gegen den des Königs vertauscht. Was hat Schwarz in drei Zügen getan? Es hat zwei Figuren zurückgezogen, den Läufer von einem vortrefflichen Platze, und hat dabei einen Doppelbauer erhalten! Schade, dass
 
(C) Weiß darauf einen so schwachen und furchtsamen Zug tut. Wir würden den Springer G1 - E2 gewiss vorgezogen haben.

(D) Ein gewagter Zug, der das Spiel der Weißen verdirbt. Bei der Stellung des Königs durften die Bauern, die ihn bedecken, nicht vorrücken.

(E) Sehr gut gespielt. Jetzt steht Schwarz offenbar besser, als Weiß.

(F) Ein sehr schlechter Zug. Der rechte war: F6 - F5; durch diesen würde Schwarz einen Bauer und eine vortreffliche Stellung gewonnen haben. Den rechten Zug nicht sehen, ist ein Fehler, der wenig sagen will. Das kann vorfallen und das begegnet jedem Schachspieler. Aber einen so schlechten Zug tun, der gegen alle vernünftige Regel streitet, ist ein Fehler, der von einer mangelhaften Erziehung zeugt; ist unverzeihlich für Einen, der ein geübter Schachspieler sein und im Namen einer Stadt spielen will. Die Regel aber, gegen welche Staunton sündigt, ist: Wenn eine Figur deines Gegners eine schlechte Stellung, wie hier der weiße Läufer, hat, in welcher sie nicht deinem, sondern nur dem Spiele des Gegners hinderlich ist, so lass sie stehen und gib ihr keine Gelegenheit zum Rückzug oder zum Abtausch. Diese Regel muss Staunton lernen, um über das Niveau gewöhnlicher Schachspieler sich zu erheben.

(G) Den Bauer A2 zu nehmen, würde sehr gefährlich gewesen sein, weil der Springer auf B4 ihn würde angegriffen haben.

(H) Diesen Zug lobt der Palamède, und The Chess Player's Chronicle nennt den Capitain Evans - den Erfinder des Evans-Gambit - als den, der diesen vortrefflichen Zug vorgeschlagen habe.

(I) Die Schwarzen geben den Bauer, den sie gewonnen, wieder hin. Wahrscheinlich hofften sie im 32. Zuge ihrem Verluste wieder beizukommen, woran die Geschicklichkeit ihrer Gegner sie verhinderte. Der Turm auf F8 würde ohne Gefahr den Bauer verteidigt haben.

(K) Es würde nicht gut gewesen sein, den Bauer mit dem Turm zu nehmen, und, wenn der Springer E2 - F1 letzteren angegriffen hätte, mit dem Bauer Schach zu bieten.

(L) Den Turm E3 zu nehmen, war viel besser.

Soweit der Text aus der Leipziger "Illustrirten Zeitung" vom 09.08.1845

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